Dienstag, 24. November 2009

Die Angst der Mächtigen vor den Zombies


Von Michael Pröbsting


Kürzlich veröffentlichte der Österreichische Rundfunk auf seiner Homepage einen Artikel mit dem Titel „Forscher finden Anti-Zombie-Formel“. Zuerst dachte ich an eine Filmankündigung. Oder vielleicht handelte es sich um einen jener zahllosen Gags, mit denen uns die kapitalistische Konsumgesellschaft pausen- und gnadenlos bombardiert und die uns immer wieder Tränen in die Augen treiben – aber nicht aus Lachen, sondern eher aus Mitleid über den zu strohdummer Oberflächlichkeit verkommenen „Humor“ der Haus- und Hofscharlatane der bürgerlichen Medien.

Aber ich hatte mich geirrt. Es ging um die Präsentation einer Studie von Wissenschaftlern der kanadischen Universität, die vor kurzem in dem vom Verlag Nova Science Publishers herausgegebenen Buch „Infectious Disease Modelling Research Progress“ veröffentlicht wurde. Und tatsächlich geht es bei der Studie mit dem Titel „When Zombies Attack!: Mathematical Modelling of an Outbreak of Zombie Infection“ (http://www.mathstat.uottawa.ca/~rsmith/Zombies.pdf) um die Gefahren für die Menschheit im Fall des „Ausbruchs einer Zombie-Epidemie“! Die Autoren dieser Studie – Philip Munz, Ioan Hudea, Joe Imad, Robert J. Smith? (mit dem offiziell im australischen Register eingetragenen Fragezeichen im Namen möchte Professor Smith die Originalität seines Namens steigern) – erstellen ein mathematisches Modell, um die möglichen Schäden einer solchen Epidemie zu berechnen.

Die Ergebnisse dieser Studie lauten, daß es bei einer Stadt mit 500.000 Einwohnern nur drei Tage dauern würde, bis die Zombies gegenüber den Menschen in der Überzahl sind. Kleinere Städte würden in nur vier bis acht Stunden von den Zombies besiegt werden. Kurz und gut kommt die Studie zur Schlußfolgerung, „daß eine Zombie-Attacke wahrscheinlich zu einem Zusammenbruch der Zivilisation führen wird, solange nicht rasch reagiert wird.


Was soll der Staat laut der Studie gegen die Zombie-Attacke unternehmen? Auch hier lassen es die kanadischen Autoren nicht an Klarheit mangeln. Der effektivste Weg, um den Anstieg der Untote zu verhindern, besteht darin, hart und oft zuzuschlagen. Wie im Film, ist es unerläßlich, daß auf die Zombies rasch reagiert wird, sonst befinden wir uns alle in große Schwierigkeiten.“ Und an anderer Stelle heißt es noch brachialer: Wenn Zombies kommen, müssen wir also schnell und entschlossen handeln, um sie auszurotten, bevor sie uns auszurotten.

Nun könnte man sich fragen, warum sich ein Universitätsprofessor und seine Studenten mit den Folgen einer Zombie-Attacke befassen.Sicherlich, in den Hallen der Universitäten tummeln sich allerlei Halbkluge und die richtigen Beziehungen sind für die akademische Karriere nicht weniger förderlich als Fachwissen.

Doch in Wirklichkeit ist die Studie weit weniger obskur als der Titel annehmen läßt. Denn die Zombies sind in Wirklichkeit nur ein Synonym für durchaus reale Phänomene in der krisengeschüttelten kapitalistischen Gesellschaft. Darauf weisen die Autoren auch explizit hin. So schreiben sie in den Schlußfolgerungen ihrer Studie: Natürlich ist dies (die Zombie-Attacke, M.P.) ein unwahrscheinliches Szenario, wenn man es wörtlich nimmt. Aber eine Anwendung dieses Models im wirklichen Leben wäre bezüglich der Zugehörigkeit zu politischen Parteien oder Erkrankungen mit einer latenten Infektion möglich.

Die scheinbar harmlose, versponnene Diskussion über Zombies verbirgt also in Wirklichkeit die Frage, wie die herrschende Klasse im Falle von politischen Krisen oder plötzlicher Krankheitsepidemien reagieren soll. Nun liegt es auf der Hand, daß es im gegenwärtigen politischen Klima, in dem immer breitere Teile der Bevölkerung den Mächtigen mißtrauen, nicht gut ankäme, würde man die „Auslöschung“ aller politischen Gegner oder mit einem Krankheitsvirus Infizierten empfehlen. Nennt man diese jedoch einfach „Zombies“, dann läßt sich leicht und unverblümt über barbarische Methode der Ausrottung des menschlichen „Gefahrenherdes“ diskutieren.

Kommentatoren wie der neokonservative Historiker Neil Ferguson vom Imperial College London, der gegenwärtig als Berater der britischen Regierung tätig ist, haben dies auch anerkannt. So meint Ferguson zu der Zombie-Studie: "Der Artikel befaßt sich mit einem Thema, das viele von uns beschäftigt hat - vor allem in jüngeren Jahren". Ferguson ist in den letzten Jahren als einer der vehementesten Befürworter des weltweiten US-Krieges gegen Terror aufgetreten und befürwortet die Schaffung einer US-amerikanischen globalen Vorherrschaft „ähnlich wie es das britische Reich im 19. Jahrhundert hatte“.

Die scheinbar harmlos-obskure Zombie-Studie zeigt also in Wirklichkeit, daß die Herrschenden in Zeiten der kapitalistischen Krise zunehmend über radikale, barbarische Methoden nachdenken, um mögliche Gefahren auszutilgen.

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